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Text: Hans-Peter Widmer  Fotos: Hans-Peter Widmer, Heidi Wasem

Alpaufzug am Ufer des Brienzer SeesReportage vom 23. Juni 2022:
Ein erlebnisreicher Tag auf der Site Alp

Auf unserem Ausflug am 23. Juni unter der persönlichen Leitung von forum 60 plus-Präsident a.i. Peter W. Frey besuchten 44 Seniorinnen und Senioren die Site Alp im Simmertal sowie das Holzschnitzer-Mekka Brienz am gleichnamigen See.

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Site Alp? Nie gehört. Aber das Reiseprogramm verriet, dass das Tagesziel im Simmental liege und im Alpbetrieb der Familie Santschi eine Schaukäserei zu besichtigen sei sowie ein währschaftes Mittagessen serviert werde. Mit dem Car auf die Alp? Der Disponent von Eurobus traute der Sache nicht recht und erkundigte sich vorsichtshalber bei Nadja Tschanz, der temperamentvollen jungen Bäuerin, und bei einem lokalen Reiseunternehmen, ob die Fahrt auf die Site mit einem 2,5 Meter breiten, 12,5 Meter langen und 17,5 Tonnen schweren Setra-Bus zu verantworten sei. Ja, hiess es, denn das habe auch schon ein Doppelstöcker geschafft.

Für Roger Theiler, den Chauffeur der forum 60 plus-Seniorengruppe, war es in jedem Fall eine Premiere – und eine Herausforderung, die er so schnell nicht vergessen dürfte. Er meisterte sie aber bravourös und bekam dafür viel Applaus von den Passagieren. Ihnen bleiben die sechs letzten Kilometer der 170 Kilometer langen Hinreise ebenfalls in besonderer Erinnerung. Denn das Strässchen, das aus dem Zentrum Zweisimmen auf 840 Meter über Meer zur Alp in 1'560 Meter Höhe führt, ist keine drei Meter breit und kurvenreich. Vom Talgrund aus ahnt man nicht, welche Weideflächen, durchsetzt mit Fichtenwaldstücken, sich auf dem Hochplateau ausbreiten – und was für eine grandiose Aussicht sich in alle vier Himmelsrichtungen darbietet.

Alfred und Mathilde Santschi, die einen Bauernhof in Sigriswil oberhalb des Thunersees betreiben, erwarben 1986 auch die Alpen Site und Zimmerboden im 73 Quadratkilometer grossen Gemeindebann Zweisimmen. Den 100 Hektaren-Betrieb erweiterten sie stetig. Seit 2019 gehört er ihren Söhnen Simon und Hans. Rund 90 Kühe und 15 Rinder werden von Mai bis September gesömmert. Die Milch wird an Ort und Stelle in der gut eingerichteten Alpkäserei zu Berg- und Raclettekäse, Butter, Joghurt und Zieger verarbeitet. Das Abgangsprodukt Molke (Schotte) nährt 100 Schweine, die wie das Grossvieh Auslauf auf eine Weide haben und bis zum Alpabzug schlachtreif sind. Zum Betrieb gehört eine gemütliche Beiz; sie ist neuerdings auch im Winter offen.

Keine Frage: Die Santschis verstehen ihr Metier. Das spürte man schon beim Empfang durch die Bäuerin Nadja, gelernte Kauffrau und Gastwirtin, und ihren Schwiegervater Alfred, der sich mittlerweile vor allem dem Käsehandel widmet. Nach einem Rundgang durch die Ställe und die Käserei gab es in der heimeligen Gaststube in dem 2004 aus Lothar-Sturmholz erstellten Blockhaus Raclettes à la maison und ein Dessert mit Meringues, Glacé und hauseigenem Rahm. Die Kostprobe der Alp-Produkte fiel so überzeugend aus, dass einige Kilo Käse und mehrere Gläser Joghurt vom Simmental in den Aargau transferiert wurden.

Die Rückreise dem Thuner- und Brienzersee entlang führte zum zweiten Tagesziel, zur Besichtigung der Holzbildhauerei Huggler in Brienz. Seit über hundert Jahren betreibt die Firma das Schnitzerhandwerk. Sie ist für Weihnachtskrippen, Trachten-, Tier- und sakrale Figuren, Relief- und Schriftzugarbeiten bekannt. Es war faszinierend, den Bildhauern – auch einem Lehrling – bei der Arbeit über ihre Schulter zu schauen und direkt zu erleben, mit wie viel Geduld, Kreativität und Geschick sie zu Werke gingen. Nebenbei lernte man auf dem Weg vom Verkaufsladen an der Hauptstrasse zur Werkstatt in der Brunngasse ein Stück Alt Brienz sowie die schöne Seepromenade kennen.

Via Brünig-Luzern, A2 und A1 traf die Reisegruppe ohne einen Tropfen Regen wieder beim Eurobus Reiseterminal in Windisch ein und verliess den wohltemperierten Car in einen schwülheissen Sommerabend, der zwei Stunden später in einem kurzen, heftigen Gewittersturm endete.

Hans-Peter Widmer, Hausen