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Werdenberg Städtli
Text: Elisabeth Salchli               Fotos: Matthias Weinhold

Reportage vom 01.07.2021: Vereinsreise nach Werdenberg

«Vom historischen Städtchen zu gebauten Träumen» war das Motto der zweiten Vereinsreise 2021. Eine andere Überschrift könnte auch lauten: «Hier ist alles schräg und schön». Diesen Titel fand ich in einer Coopzeitung vom Mai 2012, welcher sich auf den Artikel über das Hundertwasser-Architekturprojekt Altenrhein, den zweiten Teil unserer Besichtigungsreise, bezieht.

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Er lässt sich aber auch sehr gut auf unsere Vormittags-Führung durch die mittelalterliche Holzbausiedlung Werdenberg übertragen – alles schräg und wunderschön. Aber zurück zum Anfang.

37 forum-60-plus-Mitglieder mussten an diesem Donnerstag früh aufstehen. Um 07.15 Uhr ging die Reise los, da wir ja einen weiten Weg hatten bis ins Sarganserland. Unsere umsichtige und wieder bestens vorbereitete Reiseleiterin, Elisabeth Kuhnt, konnte den Chauffeur dazu bewegen, nicht den bekannten Weg dem Walensee entlang, sondern durchs Toggenburg zu fahren. Wir genossen eine wunderschöne Fahrt durch eine nicht so bekannte Landschaft und durch bekannte Toggenburger Skiorte (Wildhaus, Alt St. Johann u.a.). Die Zeit wurde uns verkürzt durch die interessanten Informationen über Werdenberg, die Elisabeth zusammengetragen hatte. Durch eine Schoggitaler-Aktion, durchgeführt in den Jugendjahren von Elisabeth, konnten die Gebäude dieses einzigartigen mittelalterlichen Städtchens saniert und zu einem Musterbeispiel Schweizer Denkmalpflege werden.

Kommt man durch ein ehemaliges Stadttor ins Städtchen Werdenberg, ist es als ob man zurück ins Mittelalter reist. Elisabeth hatte uns ja schon auf dem Hinweg einige Details über diesen Ort erzählt, und so tauchten wir unmittelbar ein in ein bauliches Kleinod mit ungefähr 40 Gebäuden, die teilweise schief und schräg da stehen und den Jahrhunderten getrotzt haben. Drei Strässchen zählt die Ortschaft, nur für Bewohner befahrbar, die geprägt ist von Riegelbauten unterschiedlicher Art, z.T. in Strickbauweise mit Steinsockel aus dem 17. Jahrhundert, deren Fassaden verziert sind mit Schriftzügen und Ornamenten. Über diesem Burgstädtchen thront das Schloss aus dem 13. Jahrhundert, heute ein Ort für künstlerische Aktivitäten.

Bald kam mir der Gedanke: Wie viel Museum darf ein solcher Ort sein, in dem normal gelebt und gearbeitet wird, ohne dass die ca. 60 Bewohnerinnen und Bewohner unter dem Besucherstrom leiden?

Nach einem feinen Mittagessen ging die Reise dem Rhein entlang weiter nach Altenrhein. Mitten in einem Industriegebiet, mit Grossverteilern und Garagen als Nachbarn, steht das einzige Hundertwasser-Gebäude in der Schweiz.

Vor rund 10 Jahren wurde der Traum des Architekten Herbert Lindemann wahr. Aus seiner ursprünglichen Idee, eine Markthalle zu erstellen, wurde ein Gebäude nach den Ideen des Künsters Friedensreich Hundertwasser. Mit den vier goldenen Kuppeln, den bunten und schrägen Fassadenteilen und den auffällig krummen Fenstern, sieht es aus, wie man die Bauten von Hundertwasser eben kennt.

Die Tochter des Erbauers erzählte uns in ihrer sehr engagierten und leidenschaftlichen Art, wie es zu diesem Gebäude kam, in und an dem fast nichts gerade ist, alles uneben und gewellt daherkommt, das mit schreiend kunterbunten Kachel-Bruchstücken ausgekleidet ist und in dessen Verwinkelungen man sich verlaufen kann. Lindemann lebte für dieses Projekt und setzte, im wahrsten Sinne des Wortes, alles für die Realisierung ein, das ihm zur Verfügung stand. Dutzende von freiwilligen Helferinnen und Helfern schufteten monatelang am Bau, klebten Kachelstückchen, malten, verputzen und mussten sich immer neuen Herausforderungen dieser Bauweise stellen.

Auf dem Dach ist ein Garten mit Bäumen angelegt. Mir gefiel die Philosophie mit dem Vorsatz: Was beim Bau durch das Gebäude an Erdfläche weggenommen wird, muss oben auf dem Dach ersetzt werden.

In diesem grossen Gebäude finden heute alle möglichen Aktivitäten statt, von Hochzeiten bis Ausstellungen. Ebenfalls befindet sich eine Cafeteria und ein Hundertwasser-Shop darin. Mich hat die wilde Architektur von Hundertwasser, wie schon damals in Wien, fast erschlagen.

Mit der Organisation der Vereinsreise zu diesen beiden so unterschiedlichen Besichtigungen hat uns Elisabeth eine grosse Freude bereitet. Herzlichen Dank dafür! Müde von der Dichte und Fülle dieser Eindrücke und Informationen kehrten wir nach einer entspannten Fahrt pünktlich abends wieder nach Windisch zurück.

Elisabeth Salchli