Drucken

2019 05 21 Appenzell 04Von Lisbeth Kuhnt

Zweite Vereinsreise ins Appenzellerland vom 21. Mai 2019

«Sönd Willkomm», so war die Einladung zur zweiten Vereinsreise überschrieben. Peter W. Frey, unser Reiseleiter für den Ausflug ins Appenzellerland, durfte 31 forum-60-Mitglieder beim Eurobus Reisezentrum willkommen heissen. Was setzt man einem regnerischen Wetter und unsicheren Vorhersagen der Meteorologen entgegen?

Gute Laune und fröhliche Gesichter. Und das hatten alle Teilnehmer schon beim Einsteigen in den Bus. In zügiger Fahrt ging es mit Chauffeur Klaus etwas abseits der üblichen Route in Richtung unserem Ziel, dem Appenzellerland. Wie uns Peter W. Frey schon vorbereitete, sollte uns der Tag die schöne Voralpenlandschaft der beiden Halbkantone Appenzell Ausser- und Innerrhoden zeigen, uns etwas in die Traditionen der Gegend hineinschauen lassen und vor allem auch das gemütliche Zusammensein bringen.

So ging die Reise also bei munterem Plaudern entlang dem rechten Zürichseeufer, über den Seedamm und über den Rickenpass ins Toggenburg. Unterwegs über den Ricken erzählte uns Peter die Geschichte des Passes, der infolge der religiösen Auseinandersetzungen zwischen den katholischen und reformierten Orten der Eidgenossenschaft 1712 Auslöser des Toggenburgerkrieges, bei uns bekannt als zweiter Villmergerkrieg, war. Wer wusste noch, dass damals auch die Stadt Baden belagert worden ist und seither Schloss Stein nur noch als Ruine über der Altstadt liegt? Nach diesem geschichtlichen Abstecher waren wir schnell wieder in der Gegenwart, denn nun ging die Fahrt über die teils steile und enge Strasse auf die Wasserfluh und hinüber ins Appenzellische. Die schmucken Streusiedlungen und die schönen, typischen Appenzeller Holzhäuser, teils bemalt oder geschindelt, mit den breiten Fensterbändern und den versenkten Holzläden, passten wunderbar in die liebliche Landschaft.

Der Name Appenzell ist abgeleitet vom lateinischen «Abbatis Cella», «des Abtes Gutsbesitz oder Zelle» und erinnert daran, dass der Fürstabt von St. Gallen, der ja nicht nur kirchliche sondern auch weltliche Macht besass, hier das Sagen hatte. Mit der Reformation kamen anfangs 16. Jahrh. erste Anhänger des neuen Glaubens in den Kanton und nach einer Abstimmung 1525 hatte der paritätische Kanton Appenzell Bestand, bis im Zuge der Gegenreformation die beim alten Glauben verbliebenen Orte die Rekatholisierung verstärkten. An einer a.o. Landsgemeinde 1597 kam es zur Teilung in zwei Halbkantone. Innerrhoden blieb katholisch, Ausserrhoden reformiert. Gemäss Landteilungsbrief soll die Teilung nur so lange dauern, als es beiden Teilen gefällt. Und es gefällt den Appenzellern offensichtlich nun schon über 400 Jahre!

2019 05 21 Appenzell 01Mit diesen unterhaltsamen Informationen waren wir schon bei der Schaukäserei in Stein angekommen. Hier erwartete uns eine interessante Führung. Wohl noch nie hatten wir eine so spezielle Führerin: Amerikanerin, Opernsängerin, seit 15 Jahren im Kanton Appenzell wohnhaft und sehr begeistert von der hiesigen Gegend. Diese Begeisterung konnte sie mit ihren guten Erklärungen auf uns übertragen. Nicht nur über die Käseherstellung, nein auch über die Landwirtschaft allgemein, über die Auswahlkriterien der Milch-Anlieferer, über typische Traditionen des Kantons, über die kunstvolle Fertigung der grossen Kuhschellen, über die Urnäscher Silvesterbräuche und sogar über Mundartausdrücke, die wir erraten durften, wusste unsere Führerin bestens Bescheid. Nur das Rezept der Würzmischung des Appenzeller-Käses verriet sie uns auch nicht. Dieses wird von zwei Familien von Generation zu Generation weitergegeben und streng gehütet. Die Zusammensetzung der Gewürze liegt aufgeschrieben in einem Safe der Kantonalbank. Dass die Gewürze den feinen Geschmack des Käses ausmachen, durften wir bei fünf Sorten probieren. Beim Mittagessen kamen wir nochmals in den Genuss von Käse in den verschiedenen Gerichten des reichhaltigen Buffets.

2019 05 21 Appenzell 03Gestärkt ging es nun weiter zu einer Führung, die mich und viele Teilnehmer besonders begeistert hat. Wir besuchten die «Bude» von Hackbrettbauer Johannes Fuchs. In der schönen Appenzellertracht erwartete er uns in der engen Möbelschreinerei und liess uns auf den bereitgestellten Bänken Platz nehmen. Beinahe 2 Stunden lang unterhielt uns der «chlinn Fochsli», wie man ihn nennt, über seine Begeisterung für das Hackbrett. Mit viel Witz liess er uns teilhaben an seiner Familiengeschichte, an seinem Werdegang, an seinen Engagements weltweit und gab zwischendurch immer wieder Kostproben seines grossen Talents. Johannes Fuchs ist der einzige Hackbrettbauer des Kantons.

Rund 80 Stunden Arbeit stecken im Bau eines neuen Instrumentes, alles reine Handarbeit. Er wählt selbst die alten Tannen und Ahornbäume aus, deren Holz er verwenden will, und dabei wird beim Fällen noch auf den Mondstand und das Sternzeichen geachtet. Diese haben Auswirkung auf die Schwundmasse des Holzes und demzufolge später auf den Klang. Nach dem Fällen muss das Holz noch ein paar Jahre gelagert werden bevor er mit der Arbeit beginnt. Das trapezförmige Hackbrett gehört zu den Kastenzithern und kam ungefähr im 16. Jahrh. in die Schweiz. Es ist aus der alpenländischen Volksmusik nicht wegzudenken. Ein Instrument hat 125 Saiten oder mehr, die auf den Holzteil mit einer Zugkraft von 1 Tonne und mehr einwirken. Angeschlagen werden die Saiten mit der Rute (Schlägel oder Klöppel).

2019 05 21 Appenzell 05Eine umfangreiche Sammlung historischer Ruten zeigte uns die Vielfalt. Es war faszinierend, welch unterschiedliche Melodien und Klänge Johannes Fuchs dem Hackbrett entlocken kann. Wie er uns erzählt hat, kann er keine Noten lesen, er beherrscht das Instrument nur nach Zuschauen und Ausprobieren. Das Hackbrett ist ein sehr altes Instrument. Schon König David soll es gespielt haben. Der Ursprung wird also im Orient vermutet, in Persien. Von Fahrenden wurde es dann nach Europa gebracht. Heute kennt man das Hackbrett in vielen Ländern, auch in Mexiko, Indien, in den USA (hammered dulcimer), in China (Yang-Qin), in den osteuropäischen Ländern (Zymbal), und es finden regelmässig Kongresse statt, an welchen Fuchs ein geschätzter Mitorganisator und Lehrer ist. Noch lange hätten wir seinen Erklärungen zuhören können, wenn nicht in Appenzell ein feiner Kuchen und Kaffee oder heisse Schockolade auf uns gewartet hätten. Das war ein süsser Abschluss eines ausgefüllten, interessanten Tages. Herzlichen Dank an Peter W. Frey für die sorgfältige Vorbereitung und Begleitung des Ausfluges.

Lisbeth Kuhnt